Es war eine nette Geste und hatte wie bei anderen Unternehmen auch Tradition: Über viele Jahre hinweg hat die Firma Erhardt Markisenbau in Burtenbach ihre treuen Kunden in der Vorweihnachtszeit mit einer Aufmerksamkeit bedacht. War es in einem Jahr ein Fläschchen Wein, gab es im nächsten feine Schokolade oder auch mal Rauchfleisch. Heuer werden erstmals keine Präsente übergeben, Geschäftsführer Fabrice Rousseau hat einen neuen Weg gewählt. Statt in kostspielige Weihnachtsgeschenke zu investieren, spendet die Firma eine gewaltige Summe: 10.000 Euro gehen an die Kartei der Not, das Hilfswerk unserer Zeitung. Gerade in diesen harten Zeiten Geld an bedürftige Menschen zu geben, „ist viel sinnvoller investiert“, erklärte Rousseau.
Als Fabrice Rousseau vor einem Jahr als neuer Geschäftsführer nach Burtenbach kam, hat der gebürtige Franzose nur noch am Rande mitbekommen, welchen Aufwand die Firma in der Vorweihnachtszeit für ihre Kunden betrieb. Da wurde nicht einfach nur ein Weihnachtskärtchen mit freundlichen Grüßen und Dankesworten oder einem Kalender verschickt, sondern deutlich mehr. „Meist war es Verzehrbares, immer an der Jahreszeit orientiert“, weiß Mitarbeiterin Yvonne Junginger. Für besonders treue Kunden konnte auch mal eine Powerbank dabei sein. Die Geschenke wurden persönlich von den Außendienst-Mitarbeitenden überbracht, an die 14 fuhren in den letzten vier Wochen vor Weihnachten mehrere Hundert Kunden an. Ein gewaltiger zeitlicher und nicht zu unterschätzender finanzieller Aufwand.
Rousseau, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, hielt das für „nicht mehr zeitgemäß“. Es sei ganz in seinem Sinn, dass dem Vorstand der Stella-Group, der neben der Burtenbacher Firma Erhardt noch 15 weitere eigenständige Firmen derselben Branche angehören, soziales Engagement am Herzen liegt und dies zu einem Schwerpunktthema werden soll. In der Firma Erhardt habe man sich deshalb Gedanken gemacht, wie man sich schon heuer sinnvoll sozial engagieren könne, und sei zu dem Entschluss gekommen, Geld zu spenden. „Wir haben entschieden, die Weihnachtsgeschenke für Kunden herunterzufahren, und zwar komplett auf null“, sagte Rousseau.
Das Geld sollte aber nicht irgendeiner Hilfsorganisation zukommen. Bei seinem vorherigen Unternehmen in Stuttgart hat sich Rousseau für Obdachlose eingesetzt. Ohne eigenes Verschulden und plötzlich in Not zu geraten, das könne jedem passieren, sagt er. Ihm sei bewusst, dass es gerade in Zeiten von Inflation und Krise nicht überall gut läuft in der Gesellschaft, und Menschen Sorgen hätten, im Winter ihre Wohnung ausreichend beheizen oder sich regelmäßig Nahrungsmittel aus dem Supermarkt leisten zu können. Solchen Bedürftigen vor der eigenen Haustür finanziell unter die Arme zu greifen, sei wichtig. Auf der Suche nach einer regional tätigen Hilfsorganisation fiel der Blick schnell auf die Kartei der Not.
Das Hilfswerk der Mediengruppe Pressedruck und des Allgäuer Zeitungsverlages steht seit 1965 den Menschen in der Region in ausweglosen Situationen zur Seite. Durch die Zusammenarbeit mit sozialen Beratungsstellen vor Ort sei gewährleistet, dass die Spenden gezielt bei den Bedürftigen ankommen und für den benötigten Zweck verwendet werden, erklärte Arnd Hansen bei der Spendenübergabe vor Ort. Der Geschäftsführer der Stiftung Kartei der Not zeigte sich beeindruckt von dem „Riesenbetrag“ in Höhe von 10.000 Euro. Das sei „äußerst bemerkenswert und nicht alltäglich“, betonte er. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der sich viele Branchen derzeit befinden und in der deutlich weniger als noch vor einigen Jahren gespendet werde, sei diese „gute Tat“ noch höher einzuschätzen. „Wir sind froh über diese Solidarität, gerade zur Weihnachtszeit“, sagte Hansen.
Darüber, dass und warum die Firma Erhardt in diesen Tagen keine Weihnachtsgeschenke mehr verteilt, sind die Kunden schon rechtzeitig informiert worden. Natürlich auf digitalem und damit zeitgemäßem Weg, wie Fabrice Rousseau erklärt. Auch gegenüber dem eigenen Personal habe man dies kommuniziert. Ein Feedback darauf habe er noch nicht. Aber der Geschäftsführer ist sich sicher, dass eine Spende für Bedürftige im Sinne aller ist.
Text: Heike Schreiberg
Bild: Alexander Kaya