Von Ina Marks
Durch die Großküche der LEW zog am Wochenende nicht nur der Duft von gebratener Gans und Rotkohl, sondern auch der Geist der Hilfsbereitschaft. Zwei Tage lang stand der Club kochender Männer Augsburg an Schneidebrettern, Kochtöpfen und Brätern, um ein Weihnachtsmenü für 82 Menschen zu zaubern. Seit über 40 Jahren bereitet der Augsburger Chuchi-Club, der zu den ältesten Kochclubs Deutschlands zählt, das traditionelle Festessen zu. Es wird an Familien, Senioren und Alleinstehende in Augsburg ausgeliefert, mit denen es das Leben nicht so gut meint.
„Vergangenes Jahr haben wir von Familien sogar Dankesbriefe für unser Weihnachtsmenü erhalten. Einem lag die Zeichnung eines Kindes bei“, erzählt Kurt Reising, Präsident des Kochclubs. „Darüber hatten wir uns sehr gefreut.“ Für ihn und seine Kochbrüder bedeutete das eine schöne Bestätigung ihrer vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Auch in diesem Jahr haben die Herren bereits um sechs Uhr morgens angefangen, zu schnippeln, zu rühren und zu braten. Das Ergebnis lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Das viergängige Menü beginnt mit einer Terrine vom Reh mit fruchtigem Waldorfsalat, gefolgt von einer Geflügelkraftbrühe mit Brätstrudel von der Pute. Den Hauptgang bildet eine gebratene Gänsebrust mit Kartoffelknödel, Rotkohl und Bratapfel, als Nachtisch wurde ein bunter Fruchtsalat zubereitet. Alexander Brecheisen hat das Menü zusammengestellt, das nicht nur aufgrund der Menge eine Herausforderung bedeutet.
„Es muss zur Jahreszeit passen, weihnachtlich und transportfähig sein und es muss für Menschen sämtlicher Religionen essbar sein“, zählt Brecheisen auf. Auf Schweinefleisch wird aus Rücksicht auf Muslime etwa verzichtet. „Trotzdem schaffen wir es jedes Jahr zu variieren, wobei der Klassiker Rotkohl meist dabei ist“, meint Brecheisen augenzwinkernd. Die kochenden Männer werden von Sponsoren unterstützt. Stadtsparkasse Augsburg und die Sparkasse Schwaben-Bodensee etwa stellen das Geld für den Einkauf der Lebensmittel, die Firma Wiedemann Koch-Utensilien und die LEW ihre Großküche. Die Weinkellerei Kunzmann aus Dasing spendiert alkoholfreien Punsch, die Bäckerei Balletshofer Weihnachtsplätzchen. Der Club kochender Männer arbeitet dabei eng mit der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung, zusammen. Wie Geschäftsführer Oliver Jaschek berichtet, kommen die vielen Essen insgesamt 50 bedürftigen Familien zugute.
„Wir freuen uns über diese Tradition, sie ist unglaublich wichtig“, sagt Jaschek. Kuratoriumsmitglieder des Leserhilfswerkes fahren die Weihnachtsmenüs am Sonntag aus. Auch Kuratoriumsvorsitzende Ellinor Scherer und ihr Sohn Benedict packen mit an. Sie übernehmen die Fahrt zum Ellinor-Holland-Haus, in dem bedürftige Menschen leben. Gänsebrust und Co. werden auch in verschiedene Stadtteilen ausgeliefert. Unter anderem zu einem armen Witwer, dessen Mietwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt worden war.
Von der Kartei der Not hatte er finanzielle Unterstützung für den Umzug und einen Schrank erhalten. Auch er darf sich über das Festtagsmenü freuen. Die Menschen, die damit bedacht werden, erhalten zudem die Möglichkeit, zum Festschmaus jemanden einzuladen. Wie Olivia Uhl-Baumm von der Kartei der Not berichtet, sei dies für die Bedürftigen erfahrungsgemäß ein wichtiger Aspekt. „Eine Klientin etwa hat ihre rechtliche Betreuerin zum Essen eingeladen. Sich damit bei der Frau zu bedanken, ist ihr ein Anliegen.“ Auch der Witwer hat im Vorfeld bereits mitgeteilt, was er mit der zweiten Portion anfangen will. Falls seine Bekannte, nicht wie geplant zum gemeinsamen Essen erscheint, möchte er die weiteren vier Gänge einfrieren und dann an Weihnachten verspeisen.
de. (AZ)