Jubiläum. Zwei Ziffern leuchten außen in der Nacht vor dem Kongress, die Fünf und die Null. Nein, kein Fußballergebnis, sondern eine Zahl. Es wird etwas Besonderes gefeiert: die 50. Ausgabe dieses Balls, der Presse und Gesellschaft, Politik und Musik, Glanz und den Benefizgedanken zusammenbringt. Und wenn zu Beginn auf der Bühne ein Zusammenschnitt aus Impressionen zu sehen ist, vom ersten Presseball 1973 bis in die Gegenwart hinein, wirkt das wie eine Zeitreise. Die Ballgäste 2024 fügen ein neues Kapitel hinzu.
Ausgelassene Freude. Auf dem Tanzparkett im Hauptsaal packen die Ballbesucher alles aus, was sie je in einem Tanzkurs gelernt haben. Drehung links und rechts, ein- und auswickeln und klassisch im Foxtrott zur Musik. Auf die Haltungsnoten kommt es dem ein oder anderen dabei nicht an. Erlaubt ist, was Spaß macht - auch die Eigenkreation, die für Außenstehende aussieht wie die „verknotete Breze“, wie eine Beobachterin schmunzelnd feststellt. Aber egal. „Viva la vida“, also lebe das Leben, spielt die Band.
Süße Kunst. „Kann man das essen?“, fragt eine Ballbesucherin und schleicht unsicher um eine Torte herum, die auf der Casinogalerie steht und mit Lichteffekten in Szene gesetzt ist. Tatsächlich ja, stellt sich wenig später heraus, als Tortenkünstlerin Diana Schmierer ihr Meisterwerk unter Blitzlichtgewitter der Fotografen anschneidet und gegen eine Spende zugunsten der Kartei der Not an die Gäste verteilt. Mehr als 100 Arbeitsstunden hat Schmierer in die fünf Etagen hohe Geburtstagstorte investiert. Besonders aufwendig war die handgemachte Zuckerfloristik, die die Torte ziert: Rosen, Blumen und Blätter - so filigran, als wären sie echt. Mit dem Überzug aus rotem Fondant und goldenen Accessoires ist die Torte auf das Farbmotto der Ballnacht abgestimmt. „Ich wollte nicht, dass die Torte wie ein klassischer Geburtstagskuchen aussieht“, so Schmierer. Sie habe sie daher auch in kubischer Form und mit einem modernen Touch gestaltet.
Losglück. Aufgeregt sitzen mehrere Frauen auf einem der Loungemöbel und vergleichen die Zahlen ihrer Glückslose der Presseball-Tombola mit den Gewinnnummern im zugehörigen Begleitheft. „Jetzt ich“, ruft eine der Frauen und wedelt mit ihrem Los. Sie kann es offenbar gar nicht erwarten, ob sie einen der über 1000 Preise ergattert hat. Man hört aus dem Stimmengewirr noch ein A für die Gewinnserie, der Rest der Glücksnummer geht im fröhlichen Lachen der Sitznachbarn unter. Doch dann ein schriller Schrei. Die Köpfe der Gäste auf der Galerie drehen sich fast schon erschrocken nach der Gruppe um. Die junge Frau wedelt jetzt noch wilder mit ihrem Los. Sie hat tatsächlich gewonnen: Ein Weinseminar für zwei Personen.
Helden der Heimat. „Ein Hoch auf uns“ schallt es aus den Boxen im großen Saal, bevor Alexandra Holland zwei Frauen auf die Bühne holt, die mit ihrer Arbeit selten im Scheinwerferlicht stehen. Angela Jerabeck und Angelika Brunner kämpfen seit Jahren dafür, einen Ort zu schaffen, an dem schwerbehinderte und schwerkranke Kinder betreut werden können und den Eltern eine Auszeit von der Dauerbelastung der Pflege verschafft - den Dachsbau. Seit 2020 unterstütze die Kartei der Not dieses großartige Projekt, sagt Alexandra Holland. „Sie sind für uns mit ihrem Engagement die Helden der Heimat.“ Aktuell, sagt Jerabeck, stecke man noch mitten in den Verhandlungen, um das Haus realisieren zu können. Doch die frisch gekürten Heldinnen der Heimat bleiben dran, um den Kindern und ihren Familien eine neue Heimat geben zu können.
Klassisch. Gegen das Eigenleben einer Ballnacht anzukommen, ist gar nicht so einfach, vor allem nicht, wenn man den Lautstärkeregler nicht auf unverschämt oder schmerzhaft drehen will. Aber berühmte Opernarien elektronisch verstärkt in die Ohren prügeln? Geht nicht! Also schreitet Augsburgs Staatstintendant André Bücker einmal kurz zwischen den Werken ein und ruft zur Ruhe auf. Sein Staatstheater sorgt auf der Hauptbühne dafür, dass beim Presseball auch ein Gefühl von Opernball aufkommt. Als Tenor Xavier Moreno mit „Nessun dorma“ aus Puccinis „Turandot“ beginnt, bekommen die Ballgäste nicht nur eine der bekanntesten Opern-Arien zu hören, sondern gleichzeitig auch noch ein Motto mit serviert, das für den ganzen Abend stehen kann: „Keiner schlafe!“
Lebensfreude. Claudia Ammann und ihr Mann Mathias Ebert strahlen über das ganze Gesicht, als sie gegen 23.30 Uhr auf der Bühne im Hauptsaal stehen und sich neben einer Skulptur von Stefan Szczesny fotografieren lassen. Gerade eben haben sie das Stück des renommierten Künstlers in einem spannenden Bieterwettbewerb ersteigert. Für 4200 Euro hat Moderator Markus Othmer ihnen den Zuschlag gegeben. „Ich wollte diese Skulptur unbedingt“, sagt Claudia Ammann freudig aufgeregt. Die Figur mit dem Namen „Herzenstraum“ sei lebensbejahend, wie sie und ihr Mann, sie habe eine tolle Ausstrahlung und sei eben „ein echter Szczesny“. Der Künstler selbst sagt über seine rund 50 Zentimeter hohe, goldene Metall-Skulptur, dass sie das Licht am Ende des Tunnels symbolisiere, das man in schwierigen Zeiten benötige. Mathias Ebert und Claudia Ammann gefällt genau das - und die Möglichkeit, mit ihrer Spende an die Kartei der Not auch selbst Gutes tun zu können. Die Figur erhalte einen Ehrenplatz im Wohnzimmer.
Italienisches Flair. Ist Augsburg nicht die nördlichste Stadt Italiens? Bei der ausgelassenen guten Stimmung will man es an diesem Abend auf jeden Fall meinen. Die Italo-Schlager, die die Bigband Steinbach im Großen Saal zum Besten gibt, locken die Besucher auf die Tanzfläche. Ein Song einer bestimmten Band darf da nicht fehlen: „Bella Napoli“ von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys wird angestimmt und mitgesungen. Nur ein Schlagerstrudel, eine schnelle Kreisbewegung der Fans im Zuschauerraum, gibt es (noch) nicht. Vielleicht beim nächsten Presseball.
Mit Pinsel und Farbe Um Franziska Weis und Max Gerber herum wird getanzt, flaniert und geschäkert. Doch das Paar aus Augsburg steht schon minutenlang fast bewegungslos mitten im Getümmel. Ihnen gegenüber sitzt Künstler Florian Riemerschmid, der ihre Silhouette mit gekonnten Strichen aufs Papier bringt. Schon im Vorfeld hat Franziska Weis gelesen, dass es gegen eine Spende für die Kartei der Not möglich ist, sich von einem Künstler porträtieren zu lassen. Im Nu waren alle Termine vergeben. „Wir haben richtig Glück gehabt“, freut sich die Augsburgerin, während auf dem Papier ihr leuchtend gelbes Kleid Gestalt annimmt. Einen Platz für das Porträt haben sie schon im Auge. „Wir haben daheim eine kleine Bildergalerie. Da bekommt es einen Ehrenplatz als tolle Erinnerung an diesen Abend.“ Bleibende Erinnerungen mit Pinsel und Farbe schafft daneben auch die Presseballillustratorin Kera Till, die nicht weit entfernt für die Gäste eine individuelle und signierte Version ihres Presseball-Motivs erschafft.
Marschmusik einmal anders. Viel Platz im großen Saal des Kongress am Park ist da nicht mehr kurz vor dem Auftritt des Stargasts. Als Techno Marching Band bezeichnen sich Meute. Man könnte auch sagen, dass die Musiker das Blech zum Stampfen bringen. Allerdings frönen die elf Musiker in den roten Uniformen auf der Bühne auch noch einer weiteren Leidenschaft: dem Experiment. Ihre Songs fließen nicht im gleichen Rhythmus von der Quelle ins Meer, ihre Songs mäandern herum, überlegen sich erst einmal, wer da welchen Part wie zu spielen hat, wo es losgehen soll, im steilen Hochgebirge oder erst einmal gemächlich und flach. Eine reine Stampfparade: nicht mit Meute. Wer sich darauf einlässt, findet in ihnen nicht nur einen guten Taktgeber für die Beine, sondern wird auch ständig aufs Neue von ihnen überrascht
Schönheit muss nicht leiden. Frau kennt das. Für eine lange Ballnacht hat jede Dame ihr eigenes Schuhkonzept. Entweder es wird in den Pumps die Nacht durchgetanzt (mal mit mehr oder weniger großen Schmerzen), Schuhwechslerinnen tauschen gerne zwischendurch aus oder es gibt diejenigen, die gleich mit flachen Tretern auf den Ball kommen. Wer sehen will, wie es die anderen damit halten, kann gegen Mitternacht einen Abstecher zur Garderobe im Eingangsbereich einlegen. Dort werden hochhackige Schuhe gegen Ballerinas oder sogar Turnschuhe umgetauscht. Jede, wie sie will - Hauptsache es stehen einer langen Ballnacht keine Fußschmerzen im Weg.
Ladies in Black. Wer Vicky und ihre Mädels sieht, der merkt sofort: Hier sind Fashionistas unterwegs. Mit ihrer meterlangen schwarzen Schleppe ist die Chefin des Brautmodeladens Perlenweiss in Königsbrunn einer der absoluten Hingucker auf dem roten Teppich. Wenn auch heute nicht in perlweiß, sondern ganz in Schwarz. „Ein Ball ist dazu da, dass man sich was Wunderschönes anzieht“, sagt sie selbstbewusst. Angst, dass ihr die Ballbesucher auf die bauschige Schleppe treten könnten, haben weder sie noch ihre Begleiterinnen. „Die meisten gehen außen rum. Aber natürlich sind schon ein paar tollpatschige Männer draufgestiegen“, sagen sie, bevor sie wieder im Getümmel verschwinden. Denn die Nacht ist noch jung.
Probesitzen im Oldtimer. Ein ebenfalls besonderer Hingucker parkt, umgeben vom Getümmel, im Kongress am Park: ein roter Mercedes 200. Dieses Auto war 1973 der Tombola-Hauptpreis beim Presseball. An diesem Abend lädt er die Gäste zum Probesitzen ein. Eine Gelegenheit, die nicht nur Anja Plönzke nutzt. „Alles an diesem Wagen ist schön“, schwärmt sie, das Lenkrad des Mercedes in der Hand. Sie habe eine Schwäche für Oldtimer, fahre selbst einen gelben Fiat 500 von 1971. Auch auf andere Gäste hat der Wagen an diesem Abend eine Anziehungskraft: Während die einen über technische Details fachsimpeln, nutzen andere den Mercedes als Fotospot für ihre Erinnerungsfotos vom Jubiläums-Presseball.
Von Nicole Prestle, Andrea Wenzel, Katharina Indrich, Daniela de Haen und Richard Mayr
Fotos: Peter Fastl, Marcus Merk, Bernd Rottmann, Bernhard Weizenegger
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