Von Rebekka Jakob
Günzburg Eigentlich sollte die Aktion zwei, vielleicht drei Jahre laufen. So hatten sich Karen und Hans-Jürgen Sattler das damals vorgestellt, als sie beim Lions-Club Günzburg im Jahr 2010 ihr Adventskalender-Projekt gestartet haben. „Damals hätte sich keiner träumen lassen, dass wir jetzt schon die 16. Staffel planen“, sagt Hans-Jürgen Sattler heute. Inzwischen ist das Benefizprojekt in der Vorweihnachtszeit nicht mehr wegzudenken - nicht für den Lions-Club mit seinem aktuellen Präsidenten Tobias Hörmann, nicht für die Sponsoren, und erst recht nicht für die Menschen in der Region, die jedes Jahr zuverlässig dafür sorgen, dass der Lions-Adventskalender restlos ausverkauft ist. Ganz zu schweigen von der Redaktion der Günzburger Zeitung, die jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit täglich das Geheimnis der Gewinnzahlen lüften darf. „Ohne die große Unterstützung aus dem Club ginge das nicht“, macht Hans-Jürgen Sattler deutlich. Zwei Drittel der Mitglieder packen mit an, organisieren die Preise und helfen beim Verteilen der Kalender auf die Verkaufsstellen. Dabei gab es heuer sogar einen Rekord zu verzeichnen: Erstmals hat sich der Wert der gespendeten Preise für die 24 Türchen auf mehr als 45.000 Euro summiert. Rund 95 Prozent der Firmen und Einzelpersonen, die mitmachen, sind jedes Jahr aufs Neue dabei. Immer wieder erreichen die Organisatoren aber auch Anfragen wie diese: „Dürfen wir dieses Jahr bei euch mitmachen und spenden?“
Längst hat das Projekt Schule gemacht, die Günzburger Lions haben anderen Clubs in Deutschland Starthilfe für deren eigene Adventskalender-Projekte gegeben und sie mit Rat und Tat und ihren Erfahrungen unterstützt. „Auch Rotary Clubs konnten wir unsere Erfahrung schon weitergeben.“ So erfolgreich anderswo die Idee jedoch kopiert wurde - an das Ergebnis, das die Günzburger Lions mit inzwischen zwei verschiedenen Kalendermotiven erzielen, kommt so schnell niemand heran. Dieses Jahr haben Schülerinnen des Dossenberger-Gymnasiums Günzburg die beiden ganz unterschiedlichen Motive gestaltet.
Der Erlös aus dem Verkauf der Kalender geht seit Beginn der Aktion an verschiedene soziale Zwecke, die Kartei der Not, das Leserhilfswerk der Augsburger Allgemeinen und ihrer Heimatzeitungen, ist jedes Jahr mit dabei und durfte sich auch heuer wieder über 10.000 Euro freuen. Als die Planungen für das Projekt 2024 losgingen, stand beim Lions-Hilfswerk schon fest, wofür das Geld aus dem Vorjahres-Kalender verteilt werden soll, sagt Martin Wachter. „Doch dann kam der 31. Mai und der 1. Juni und plötzlich war alles anders.“
Das Jahrhunderthochwasser, das in Günzburg sogar zum Jahrtausendhochwasser anschwoll, wirbelte die Pläne der Lions durcheinander. Ursprünglich sollten aus den Spenden Rücklagen für die Landesgartenschau in Günzburg gebildet werden. Auch für die Ausbildung eines weiteren Augenarztes in Afrika - vier junge Mediziner haben die Günzburger Lions schon unterstützt - waren eigentlich Gelder vorgesehen. „Doch angesichts der Hochwasserkatastrophe hier vor Ort haben wir umgeschichtet“, erzählt Wachter. Die Wärmestube und die Tafel der Caritas, beide von der Flut stark betroffen, konnten so beispielsweise schnell Hilfe bekommen. Auch die Gemeinde Offingen bekam Unterstützung in Form eines mobilen Waschsalons. Große Spenden gingen zudem nach Günzburg, Burgau und Jettingen-Scheppach. „Unser Partnerclub aus Österreich hat uns dabei mit 25.000 Euro geholfen, weitere knapp 75.000 Euro haben wir hier mit unseren Mitgliedern aufgebracht“, freut sich Wachter über den Zusammenhalt. Doch natürlich sind dadurch die anderen Hilfsprojekte nicht ins Hintertreffen geraten. Wenn dieses Jahr die 16. Auflage des Adventskalenders verkauft ist, sollen auch sie wieder bedacht werden. Auch der Schulfonds der Lions wird wieder aufgefüllt - hier können bedürftige Schüler beispielsweise Zuschüsse für die Klassenfahrt bekommen.
Das verheerende Hochwasser im vergangenen Sommer hat auch bei der Kartei der Not für eine Flut von Anfragen gesorgt, erzählt Geschäftsführer Oliver Jaschek - gleichzeitig stieg der Pegel der Hilfsbereitschaft. „2024 war unser bisher spendenreichstes Jahr“, sagt Jaschek, der im vergangenen Jahr die Aufgabe übernommen hat.
Allein im Landkreis Günzburg konnten damit 2089 Menschen mit über 1,9 Millionen Euro unterstützt werden. Für das Leserhilfswerk ist 2025 übrigens ein ganz besonderes Jahr: Die Kartei der Not besteht heuer seit genau 60 Jahren.